RAUM ERMESSEN 21.8. – 25.9.21

Pascal Brateau…

… versucht das schier Unmögliche: den Raum zu falten; etwas Unsichtbares. Es geht ihm nicht um Objekte, die sich im Raum befinden, sondern solche, mit denen der Raum selbst fühlbar wird, berührbar. Dazu sagt er: Man kann den Raum nur verstehen, wenn man sich an ihm misst; wobei „se mesurer“ auf Französisch zwar messen bedeutet, aber zugleich konfrontieren, begegnen, im Sinne von entgegentreten, trotzen…Ein schöner Gedanke: dem Raum zu trotzen, ihm das als Künstler abzutrotzen, was man zu sagen hat. Das bedeutet nichts weniger als sich behaupten, in einem Raum, der immer auch sozial determiniert ist, als Freiraum, Eigenraum, Spielraum, öffentlich wie privat.

Der Raum, könnten wir mit dem großen Sun Ra sagen, der bekanntlich selbst große Räume überwunden hat, weil er vom Saturn stammt, ist überhaupt DAS große Ding: Space is the Place. Pascal geht viel pragmatischer vor, nutzt daher auch die naheliegenden Elemente: Hell und Dunkel, Innen und Außen, Fülle (Form) und Leere. – Lukas Feireiss *, Autor und Kurator, betont so einfach wie bedeutsam, dass die Begriffe Raum und Ort verschiedene Konzepte repräsentieren, zwischen denen eine dynamische Beziehung besteht. Genau das macht auch die Spannung aus, in der Pascal Brateau den persönlich beanspruchten Raum mit einem Ort konfrontiert, an dem sich seine Arbeit behaupten soll.

Das ist keine einfache Besetzung oder Beanspruchung des Raums, sondern eine sehr subtile In-Anspruchnahme, ein Ansprechen, Einnehmen, Begreifen und Respektieren, so taktvoll, wie es sich ihm gegenüber gehören sollte, dem ungreifbaren Ort, dem Platz, der uns trägt, aufnimmt und überhaupt existieren lässt. Oder genauer: nicht gegenüber, sondern in und mit ihm, auch wenn wir ihm dabei oft unser eigenes Dasein abtrotzen müssen, ihm, dem gänzlich Ungreifbaren.

Der Künstler stellt sich dem Raum, er stellt, hier ganz wörtlich, sein Haus hinein, ein Zeichen, das über sich hinausführt, aber nicht auf etwas Anderes, sondern in Rückkehr zu sich selbst wiederum auf ein Bild, Bild vom Haus: künstlerisch aufgeladen, gefüllt wie ein Speicher der Ideen, ein Mittelpunkt, die innere Werkstätte der Ideen. Es ist, mit der wohl schönsten Definition für Kunst, „die erfüllte Äußerung der sich kundgebenden Innerlichkeit“ (Hegel).

Nathanaël R. Bartholomäus

*Herausgeber Space is the Place, Current Reflections on Art and Architecture. München 2018/19

Pascal Brateau studierte Architektur in Nancy und Toulouse. Er ist Mitbegründer des Studios dbdarchitects. Seit 2010 lebt er in Berlin und engagiert sich im Kulturverein Werkstadt e.V.. Mit der Künstlerin Aurélie Pertusot gründete er virgule3, ein Projekt, das die Vernetzung von Berliner und französischen Künstler:innen unterstützen soll.

RAUM ERMESSEN
Pascal Brateau
21.8. – 25.9.2021
Eröffnung: Samstag, 21.8. 13-19 Uhr
galerie weisser elefant
Auguststrasse 21
10117 Berlin